Burma und die fehlgeleitete Deutsche Aussenpolitik
Von "Heckler & Koch" wurden bereits früher sogenannte "Small arms" - Klein-Waffen nach Burma geliefert;
jetzt läuft der Deal über Drittländer. Nicht alle "H & K" sind aus chinesischer Produktion.
Nach Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), droht den Deutschen erneut aussenpolitischen Ärger mit ihren westlichen Verbündeten. Berlin erwägt eine Lockerung der Sanktionen gegen Burma, über deren Verlängerung im April 2011 von der Europäischen Union (EU) entschieden wird.
Laut Aussagen von Kennern gibt es keinen Grund, die Sanktionen in Burma zu lockern, denn die vergangenen Wahlen (die ersten seit 1990), seien in keiner Weise fair gewesen, noch wurden; nach westlichem Massstab, die kleinsten "demokratischen Standards" eingehalten.
Die jahrelang unter Hausarrest stehende Regimekritikerin und Friedensikone Daw Aung San Suu Kyi, lehnt eine Aufhebung der Sanktionen in Burma strikte ab. Auch die US-Regierung signalisierte deutlich, dass sie entsprechende US-amerikanische Sanktionen weiter aufrechterhalten wird.
Die deutsche Aussenpolitik wird für die besten Partner immer unberechenbarer." Die USA, Frankreich, Grossbritannien, Kanada, Australien, die Niederlande, Dänemark und mindestens acht weitere Staaten unterstützen auch von den Vereinten Nationen erhobenen Ruf nach Einrichtung einer internationalen Untersuchungskommission, welche die Verbrechen dokumentieren soll. Eine solche Kommission wäre ein erster Schritt, um den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) mit Ermittlungen zu betrauen.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich Deutschland im Falle Libyens für Ermittlungen des IStGH ausgesprochen hat, zu den ungleich schwereren Verbrechen in Burma aber schweigt. Exil-Burmesen protestierten wegen Deutschlands "Zweigleisigkeit" in den vergangenen Tagen bereits vor der deutschen Botschaft in London.
Neben den ASEAN-Staaten setzen sich vor allem Deutschland und Österreich für eine Aufhebung der Sanktionen gegen Burma ein. Erst in diesem Monat besuchte eine Delegation von 23 österreichischen Unternehmen Burma. Auch die deutsche Industrie zeigt grosse Interesse an einer Aufhebung der EU-Sanktionen. Sie verbieten Geschäfte mit 1200 burmesischen Staatsfirmen, schränken die Reisefreiheit führender Militärs ein und frieren ihre Finanzguthaben ein.
Offiziell spielt Deutschland seine Wirtschaftsinteressen herunter und begründet seine Kritik an der Aufrechterhaltung der Sanktionen mit ihren Folgen für die breite Bevölkerung. Zudem hätten die Zwangsmassnahmen keine Wirkung auf das Regime. Befürworter der Sanktionen weisen darauf hin, dass Burmas regierende Militärjunta bislang alle von der EU geforderten Reformen abgelehnt hat und nun nicht dafür belohnt werden darf.
Wenn die Armut im Land zunimmt, so ist dafür die Misswirtschaft der Militärs
verantwortlich.
In Burma werden zurzeit 2200 politische Gefangene - unter ihnen 250 buddhistische Mönche - in Haftanstalten festgehalten. In den Nationalitätengebieten sind die Minderheiten Opfer völkerrechtswidrigen Verbrechen.
Als in Burma im Herbst 2008 (Uprising) – von der Junta in Myanmar ("Stark" & "Schnell") umbenannt - die friedlichen Proteste brutal niedergeschlagen wurden, sorgte besonders ein Bild für weltweites Entsetzen: wie der japanische Photograph Kenji Nagai von einem Milizionär erschossen wurde. Das Sturmgewehr, aus dem der Schuss kam, sieht wie ein G3 von Heckler & Koch (H&K) aus, könnte aber auch ein belgische FAL des Herstellers FN Herstal sein. So oder so gibt es eine deutsche Verbindung: dem Kriegsgeräte-Informationsdienst "Jane´s" zufolge setzt die birmanische Armee noch immer massiv auf die "Braut des deutschen Soldaten", die bis vor wenigen Jahren ihre Standardwaffe Nr. 1 war, und auf MG3-Maschinengewehre von Rheinmetall. Das FAL war nach Angaben des renommierten Experten Edward Ezell einst aus Altbeständen der Bundeswehr eingeführt worden.
Die inneren Konflikte Burmas begannen weit vor der Unabhängigkeit von 1948. Hunderttausende wurden seither getötet, Millionen vertrieben. Alle Kriegsparteien – Regierung, untereinander verfeindete Rebellen und Drogenbarone – setzen Kindersoldaten ein, gemordet wird in erster Linie mit "Kleinwaffen". In den jüngsten Berichten westlicher Medien wurde vor allem China als Waffenlieferant der Militärdiktatur kritisiert. Darüber wird aber vergessen, dass jahrzehntelang just die Bundesrepublik Deutschland Burmas wichtigster Rüstungspartner war:
Eine Aufzeichnung der einschlägig berüchtigten Firma Fritz-Werner, die sich auf Maschinen für die Waffen- und Munitionsherstellung spezialisiert hatte, belegt, dass die folgenreiche Kooperation bereits 1953 begann. Dabei ging es um die Produktion der BA52-Maschinenpistole, später bekannt als "Ne Win-MG". Hinzu kam der Aufbau von drei Fabriken für Infanterie- und Artilleriemunition in Rangun und Prome. Das Deutsche Auswärtige Amt (DAA) stimmte zu, weil es eine diplomatische Anerkennung der DDR durch das blockfreie Birma befürchtete. Die Hardthöhe verkaufte bereits 1960 die Lizenz zur Herstellung des G3 an Birma, wie Dokumente des DAA belegen (bislang ging die Friedensforschung von 1981 aus). Die G3-Fabrik baute die Fritz Werner-AG auf, die mittlerweile in Bundesbesitz übergegangen war. Bis die Produktion anlief, bezogen die burmesischen Militärs über Fritz-Werner das Schnellfeuergewehr G3 von der Düsseldorfer Waffenschmiede Rheinmetall, die sich damals die Fertigung mit H&K teilte. 1961 genehmigte das Auswärtige Amt die Lieferung von 10.000 G3 sowie von vier Millionen Schuss durch die Fritz-Werner-Tochter Metallwerk Elisenhütte Nassau (MEN). Den Diplomaten kamen auch "keine Bedenken", als General Ne Win 1962 die demokratische Regierung stürzte und umgehend Proteste niederschlagen liess. Rheinmetall durfte weitere 12.000 G3 und 800 MG42-Maschinengewehre liefern, MEN 18 Millionen Schuss.
Dank der BRD wurde das burmesische Heer immer unabhängiger: 1969 erlaubte das DAA der Staatsfirma Fritz-Werner, Anlagen zur Produktion von Sprengstoffen und ein Messingwalzwerk auszuführen. Aber weil es "unbillig" erschien, Thailand zu verweigern, was man Birma gewährte, durfte auch der rivalisierende Nachbarstaat eine H&K-Lizenzproduktion aufbauen. Das AA genehmigte den Oberndorfern 1971 die Ausfuhr einer Fabrik für den G3-Ableger HK33. Kurz darauf stellte die birmanische Armee bei "U Nu"-Rebellen HK33 sicher, die H&K an Thailand geliefert hatte. Laut Ezell gelangten auch die Karen-Rebellen an HK33.
Weder der eskalierende Guerillakrieg noch die blutige Niederschlagung friedlicher Proteste in Rangun 1974 beeindruckten die Bonner Exportkontrolleure. 1976 stimmten sie dem Antrag von Fritz-Werner zu, die birmanischen Munitionswerke grundlegend zu modernisieren. Das AA sah "keine Gefährdung unser Belange". Dies änderte sich auch nicht, als die Armee Anfang 1988 Studentenunruhen gewaltsam unterdrückte. Diktator Ne Win, der sich noch im Mai 1988 wie fast jedes Jahr als Gast von Fritz-Werner in der BRD aufhielt, trat zwar zurück, doch seine Nachfolger ließen im August 1988 Tausende Demonstranten niedermetzeln - mit G3, wie etliche Photos dokumentieren. Ungerührt genehmigten die Bonner Beamten im September 1988 Fritz-Werner die Ausfuhr von Munitionsmaschinen, wie eine Stellungnahme des Bundeswirtschaftsministeriums zeigt.
Seit 1989 haben alle Bundesregierungen behauptet, keine Genehmigungen für Rüstungsexporte nach Birma mehr zu erteilen. Die bis 2004 vorliegenden Übersichten des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zeigen jedoch, dass in fast jedem Jahr mindestens ein Antrag auf Lieferung von Dual-Use-Gütern bewilligt wurde - obwohl seit 1991 ein EU-Waffenembargo gilt! Außerdem fällt auf, dass das Zollkriminalamt 2001 wegen der Lieferung von Anlagen zur Sprengstoffherstellung ermittelte und es zwei Jahre später sieben Verurteilungen wegen des Exports von Munitionsmaschinen gab.
Fritz-Werner – 1990 vom Bund an MAN Ferrostaal verkauft – ist noch immer in Burma aktiv: mit einer Niederlassung der "Fritz Werner Industrie-Ausrüstungen" und "Myanmar Fritz Werner Industries Co., Ltd.", einem 1984 gegründeten Joint-Venture mit dem Schwerindustrieministerium, welches auch für den Rüstungskomplex zuständig ist. Das US-Aussenministerium hat 1995 berichtet, dass Fritz-Werner ausserdem Im- und Exporte für die "Myanmar Economic Holdings" durchführte, die wiederum laut AA der Direktion des Beschaffungsamtes im Verteidigungsministerium gehört. Den amtlichen birmanischen Medien ist zu entnehmen, dass Fritz-Werner-Manager regelmässig von hohen Generälen empfangen wurden, zuletzt der langjährige Geschäftsführer Werner Schoeltzke Ende 2006. Auf eine Anfrage des Verfassers hin hat Kommunikationsdirektor Daniel Reinhardt indes erklärt, dass MAN Ferrostaals Burma-Engagement seit jeher "ausschliesslich zivile Aufgaben" betrifft. Unbestreitbare Tatsache bleibt aber, dass das Regime, das als die reinste Militärdiktatur der Welt gilt, nach wie vor nur dank der einst von Fritz-Werner errichteten Rüstungsfabriken derart resistent gegen Embargos ist.
Deutschland sollte sich zu seiner historischen Verantwortung bekennen und die Profite aus den früheren Geschäften von Fritz-Werner wie die damaligen Einnahmen aus der G3-Lizenz dazu benutzen, den Millionen Opfern zu helfen.
07th March 2011
2 Kommentare:
Es ist immer die gleiche Geschichte: die Waffenlieferungen von demokratischen Staaten. Wenn kein Staat Mordinstrumente liefert, gibt es noch den internationlen Schwarzmarkt. Wie steht es eigentlich mit der Schweiz? Hat die Schweiz saubere Hände und horten die Schweizer Banken "nur" Diktatorengelder?
An Anonym: Schau mal auf <>. Dort findest Du alle Schweizer Kriegsmatrialexporte und sogar, wo Menschenrechtsverletzungen damit begangen wurden.
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