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Das Interview führte die Redaktorin Rebecca Vermot.
Die Entlöhnung erhält teilweise 'Helfen ohne Grenzen'.
Jonas M. Lanter
INTERNATIONAL comedia-Magazin Nr. 10 - Oktober 2007
BURMA
Die Lage in Burma hat sich «normalisiert», Schulen und Läden sind geöffnet. Doch Nacht für Nacht werden Menschen verhaftet, die anhand von Bildern der Proteste identifiziert wurden. Trotz internationalem Druck und wirtschaftlichen Sanktionen sitzt das Militärregime fest im Sattel. Ein Interview mit comedia – Mitglied Jonas Lanter, der jährlich mehrmals nach Burma reist.
Burmesische Flüchtlinge werden von Thailand nach Burma zurückgeschafft, wo sie meist
Zwangsarbeit leisten müssen. Als diese Flüchtlinge das Pressezeichen auf dem Auto des Fotografen sahen, riefen sie laut um Hilfe. (Bild: Jonas Lanter)
«m»: In der Zeitung lesen wir immer weniger über Burma und den Aufstand der Mönche. Wie ist die Situation im Land drei Wochen nach den Demonstrationen?
Jonas Lanter: Die Situation ist nach wie vor gespannt. Täglich werden BurmesInnen verhaftet, gefoltert, getötet oder von der Junta zu Zwangsarbeit herangezogen. Die Menschen werden unterdrückt und leben in grosser Armut. Und die Situation wird sich kaum ändern. Das ganze Volk leidet. Viele leben von weniger als einem US-Dollar pro Tag. Stellen Sie sich vor: Nur gerade 0,3 Prozent des Bruttoinlandproduktes wird für das Gesundheitswesen ausgegeben,aber über 50 Prozent für das Militär, also zur Machterhaltung. Die Menschen haben einfach nichts mehr zu verlieren.
Offiziell spricht man von zehn Toten während und nach den Protesten.
Die Toten werden in die Tausende gehen, schon wie im Jahre 1988, als die StudentInnen auf die Strasse gingen und über 3000 Menschen umgebracht wurden. Ich habe gestern mit Saw Aung Zaw, dem zweiten Sekretär der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) von Aung San Suu Kyi gesprochen. Er ist in Chiang Mai im thailändischen Exil und er äussert dieselben Befürchtungen. Und ein burmesischer Oberst, welcher sich mit einem Teil seiner Soldaten nach Thailand abgesetzt hat, berichtet, dass er Tausende von Mönchen hätte niedermetzeln sollen, um diese im Dschungel zu vergraben. Seinen Auftrag haben bestimmt andere übernommen.
Die NLD hat bei den jetzigen Protesten insoweit damit zu tun, als sie sich mit den
Nein, das glaube ich nicht. Die Partei ist wie alle anderen Parteien und Gewerkschaften verboten. In dieser Situation Strukturen aufzubauen und Strategien zu entwickeln, ist daher sehr schwierig, ja lebensgefährlich, wie wir sehen können. Hinzu kommt, dass es in Burma mindestens 130 ethnische Minderheiten gibt und ebenso viele Sprachen und Dialekte. Schon nur das ist ein grosses Hindernis, denn viele ethnische Gruppierungen verstehen sich untereinander nicht. Viele dieser Menschen kämpfen seit Jahrzehnten immer wieder gegeneinander. Sie wechseln zum Teil die Positionen je nach den Vorteilen, die sie daraus ziehen können.
Woher kommen diese ethnischen Spaltungen?
Die ethnischen Spaltungen gibt es von jeher. Schon unter den Briten waren diese Völker zum Teil sehr zerstritten. Die Junta hat aber auch schon verschiedene Ethnien zusammengebracht. Das einzige, was General Than Shwe erreicht hat, ist, dass er Gespräche mit den Aufständischen führte, um diese zu einigen und für sich zu gewinnen. Heute kämpfen nur etwa vier verschiedene Gruppierungen aktiv gegen die Junta; vorher waren es etliche mehr!
Mit welchen Mitteln hat er diese Aufständischen willig gemacht?
Die Wa-State-Army beispielsweise, die teilweise von der chinesischen Grenze in den Süden des Landes umgesiedelt wurde, um da gegen andere Aufständische zu kämpfen, hat sich mit Than Shwe so geeinigt, dass diese dafür mit Drogen und Menschen handeln können, wobei auch die Junta ihren Gewinn daraus zieht.
Der internationale Druck auf die Junta wächst. Wie schafft sie es, sich diesem zu entziehen?
Solange die Junta sich nur mit China, Russland und Indien auseinandersetzen muss, ist das nicht schwierig. In der asiatischen Kultur gilt die Verurteilung einer Regierung – auch wenn sie eine Diktatur ist – als sehr unhöflich. Man mischt sich nicht in interne Angelegenheiten anderer Länder ein. Dass die Vereinigung Südostasiatischer Staaten, die ASEAN, die Junta aufgefordert hat, nicht gewalttätig gegen die Protestierenden vorzugehen, gilt schon als überdeutliche Sprache. Aber es sind genau diese Länder, die eigentlich einen wichtigen und vielleicht richtungsweisenden Einfluss ausüben könnten, denn sie sind Burmas Wirtschaftspartner, Erdgas- und Erdölabnehmer. Die internationalen Sanktionen des Westens hingegen vergrössern nur das Leiden der Zivilbevölkerung. Auch wenn die Junta keine Waffenlieferungen aus dem Westen erhält – sie kriegt sie von China.
Was haben die Proteste auf Burmas Strassen gebracht?
Burma und seine Diktatur bleiben im Gedächtnis der Weltöffentlichkeit. Mehr leider nicht, weil die internationale Gemeinschaft zu zurückhaltend ist in Sachen Burma.
BURMA, BIRMA, MYANMAR
Einige internationale Organisationen und Staaten, so auch die UNO und die Schweiz, folgten der Junta und übernahmen deren neue Landesbezeichnung. Zahlreiche Staaten und NGO halten hingegen als Zeichen ihrer Ablehnung des Regimes am Namen Burma fest. Birma ist die eingedeutschte Variante von Burma.
Das Interview mit Jonas Lanter wurde schriftlich geführt.
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