Bei der Niederschlagung der von buddhistischen Mönchen angeführten friedlichen Proteste im September 2007 wurden mehr Menschen getötet, als die burmesische Regierung bisher zugegeben hat, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Seit der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste geht das Militärregime mit allen Mitteln gegen Oppositionellen vor. Anführer der Demonstrationen werden in Nacht- und Nebelaktionen gejagt und Mönche aus ihren Ämtern entlassen.
Der 140-seitige Bericht „Crackdown: Repression of the 2007 Popular Protests in Burma” beruht auf über 100 Interviews mit Augenzeugen in Burma und Thailand. Es ist der bisher umfassendste Bericht über die Ereignisse in Burma im August und September.
Human Rights Watch kommt aufgrund eigener Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass die Sicherheitskräfte mit scharfer Munition und Gummigeschossen in die Menschenmenge gezielt haben. Demonstranten und Mönche sind geschlagen worden, bevor man sie auf Lastwagen verlud, und Tausende Personen sind willkürlich verhaftetet und an mehr oder weniger offiziellen Orten festgehalten worden. Neben Mönchen wurden auch zahlreiche Studenten und andere Zivilisten getötet. Doch die genaue Zahl der Todesopfer lässt sich ohne freien und uneingeschränkten Zugang in das Land unmöglich feststellen.
„Die aktuelle Repressionswelle in Burma ist noch längst nicht vorbei”, sagt Brad Adams, Direktor der Asien-Abteilung von Human Rights Watch. „Die gnadenlose Unterdrückung geht weiter, und die Regierung verbreitet weiterhin Lügen über die Zahl der Todesopfer und Verhafteten.”
An der Niederschlagung der Proteste war auch die USDA (Union Solidarity and Development Association) massgeblich beteiligt, eine parteiähnliche Massenorganisation mit mehr als 23 Millionen Mitgliedern, die von der burmesischen Armee als mögliche Führungspartei einer zukünftigen Zivilregierung geschaffen wurde. Gemeinsam mit Swan Arr Shin-Milizionären, Armeesoldaten und Bereitschaftspolizisten schlugen USDA –Mitglieder auf die Demonstranten ein und beteiligten sich an Verhaftungen.
Der Bericht dokumentiert die Tötung von 20 Personen in Rangun, doch Human Rights Watch glaubt, dass die Zahl der Todesopfer dort wesentlich höher ist; Hunderte Personen befinden sich zudem weiterhin in Haft. Aus anderen Städten und Ortschaften, wo ebenfalls Demonstrationen stattgefunden haben, konnte Human Rights Watch keine Informationen über Tötungen und Verhaftungen erhalten.
Auf einer Pressekonferenz am 3. Dezember in der neuen Hauptstadt Naypidaw sagte der Chef der nationalen Polizei, Generalmajor Khin Ye, „während der Mönchs-Proteste vom 26. bis 30. September sind zehn Menschen ums Leben gekommen und vierzehn weitere wurden verletzt. Die Sicherheitskräfte haben sich durchwegs an ihre Weisungen gehalten.” Human Rights Watch liegen Informationen vor, dass Khin Ye persönlich die Gewaltanwendung gegen Demonstranten, die brutalen Verhaftungen sowie die Tötung der Mönche bei der Shwedagon Pagoda am 26. September in Rangun überwacht hat.
Nach Angaben des regierenden „Staatsrats für Frieden und Entwicklung“ (SPDC) sind insgesamt 2.927 Personen, darunter 596 Mönche, verhört worden, und fast alle sollen wieder freigelassen worden sein. Neun Personen sollen zu Gefängnisstrafen verurteilt worden sein, 59 Laien und 21 Mönche befinden sich demnach weiterhin in Haft.
Laut Human Rights Watch sind jedoch nach wie vor Hunderte Demonstranten verschwunden, darunter Mönche und Mitglieder der Studentenorganisation Generation ‘88, die die Proteste bis zu ihrer Verhaftung Ende August angeführt hatten. Human Rights Watch weist darauf hin, dass sich bereits vor den Protesten 1.200 politische Häftlinge in burmesischen Gefängnissen und Arbeitslagern befanden.
„Die Generäle haben ihre Zivilschergen, Soldaten und Polizisten auf Mönche und andere friedlich demonstrierende Menschen losgelassen,” sagt Adams. „Jetzt sollten sie zumindest die Zahl und Identität der Getöteten bekanntgeben und über das Schicksal der Vermissten berichten.”
Human Rights Watch ruft die internationale Staatengemeinschaft auf, entschlossener zu handeln. Zudem soll der Sicherheitsrat, die burmesische Regierung zu umfassenden Reformen drängen. Am 11. Dezember wird der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in Burma, Paulo Sérgio Pinheiro, vor dem Menschenrechtsrat in Genf die Ergebnisse seiner Mission präsentieren.
Human Rights Watch kritisierte, dass Länder mit guten Beziehungen zu Burma und somit einem gewissen Einfluss auf das Land, insbesondere China, Indien, Russland, Thailand und andere ASEAN-Mitgliedstaaten, nicht entschlossen genug handeln. China hat deutlich gemacht, dass die Situation in Burma nicht vor den UN-Sicherheitsrat gebracht werden soll. Auch Japan hat äußerst verhalten reagiert, obwohl bei der Niederschlagung der Proteste auch ein japanischer Journalist getötet wurde.
„Es ist höchste Zeit, ein UN-Embargo und finanzielle Sanktionen gegen Burma zu verhängen, damit die burmesische Führung gezwungen wird, endlich wirkliche Reformen vorzunehmen,” so Adams. „Länder wie China, Indien und Thailand können nicht einfach die Augen schließen, sondern müssen mithelfen, die Generale zur Rechenschaft zu ziehen, damit dieser Albtraum einer Militärdiktatur endlich ein Ende hat.”
Augenzeugen berichten: Auszüge aus dem „Crackdown” - Bericht
„Der Angriff auf das Kloster begann um 1 Uhr morgens. Die Soldaten verlangten lautstark nach Einlass, doch als niemand das Klostertor öffnete, rammten sie dieses kurzerhand mit ihrem Lastwagen. Unter lautem Geschrei warfen sie Tränengaspatronen, feuerten mit ihren automatischen Waffen in die Klostergebäude und schlugen bei jeder Gelegenheit mit ihren Knüppeln auf die Mönche ein. Viele Mönche liefen weg, kletterten auf Bäume oder versuchten, sich in den Häusern der Nachbarschaft in Sicherheit zu bringen. Ich wurde mit einem Knüppel am Kopf verletzt. Ich sah Blutlachen, zerbrochene Fensterscheiben und leere Patronenhülsen überall auf dem Boden, als ich am Morgen ins Kloster zurück kam. Von unseren 230 Mönchen waren ungefähr 100 spurlos verschwunden. Sie hatten auch unser Geld und unseren Schmuck genommen und was sie sonst noch an wertvollem im Kloster vorfanden”.
– Der Mönch U Khanda über den Angriff auf sein Kloster am 27. September.
„Wir hatten solche Angst. Meine beiden Freunde weinten laut, und ich fürchtete, die Soldaten würden uns finden. Dann zeigten die Informanten auf das Gras. Sieben junge Leute hatten sich dort versteckt. Sie erhoben sich und rannten weg, doch die Soldaten eröffneten von hinten sofort das Feuer. Nach höchstens sechs oder sieben Schritten lagen sie alle am Boden. Drei oder vier der 20 bis 22jährigen Jungen waren sofort erschossen worden. Die andern versuchten wegzurennen, aber sie wurden gefasst und in Militärautos abtransportiert.”
– Thazin Aye beschreibt die Tötungen bei der Tamwe No.3 High School am 27. September:
„Nach den Warnungen schossen die Soldaten in der vordersten Reihe Tränengas in die Menge. Fünf Soldaten schossen das Tränengas. Sie begannen sofort nach der Ankündigung damit. Die Leute flüchteten in alle Richtungen. Zwanzig Soldaten kamen über die Barrikade und begannen, auf die Leute loszuschlagen. Zwei Personen starben… Es war nicht wie im Kino. So wie die Soldaten auf die Leute eindroschen, war klar, dass sie sie töten wollten. Sie schlugen sie auf den Kopf und in den Bauch. Dann zogen sie sie an den Beinen über die Barrikade… und legten die Leichen neben ihre Lastwagen.
– Zaw Zan Htike beschreibt einen Zwischenfall vom 27. September im Stadtzentrum von Rangun.
„Das Mädchen wusste nicht, ob es aufstehen oder sich hinlegen sollte. Dann schlug ein Bereitschaftspolizist dem Mädchen mit seinem Knüppel ins Gesicht. Das Mädchen brach zusammen. Sie war vielleicht etwas über 20 Jahre alt – Blut lief ihr über das Gesicht und ihr Schädel war möglicherweise gebrochen. Ich kann nicht sagen, ob sie gestorben ist. Niemand konnte ihr helfen. Wenn wir den Kopf gehoben hätten, dann hätten sie uns geschlagen oder mit ihren Stiefeln getreten.”
– Htun Kyaw Kyaw beschreibt die Festnahmen am 27. September.